Hygienisch rein muss alles sein, so vermittelt es uns die Werbung. Sobald sich Nachwuchs einstellt, übertreiben es viele Familien oftmals mit der Sauberkeit, weil Eltern Angst haben, dass ihre Sprösslinge krank werden. Doch ist die mikroskopische Gefahr, die angeblich überall lauert, nicht so schädlich, wie es uns suggeriert wird. Im Gegenteil, etwas Schmutz stärkt die Immunabwehr des Säuglings. Bakterien und Viren sollten nicht nur als Gefahrenquelle für Kinder angesehen werden. Es sind natürliche Organismen, die nicht nur Schaden, sondern auch für die körperliche Entwicklung lebensnotwendig sind.
Diese alte Volksweisheit ist nicht einfach aus einer Laune entstanden. Dahinter steckt eine wichtige Information, die, auch wenn es verrückt klingen mag, dem Wohl des Kindes dienen soll. Das kindliche Immunsystem muss lernen. So wie das Kind krabbeln, laufen und sprechen lernen muss, sammelt auch die körperliche Immunabwehr seine Informationen von außen, speichert diese ab und lernt daraus. So können Krankheitserreger ausgemacht werden. Der Körper baut dann einen Schutz dagegen auf und wehrt in der Zukunft diese Erreger ab. Die Immunabwehr wird zwar teilweise mit der Muttermilch weitergegeben, für viele Viren und Bakterien braucht das Kind aber eine natürliche Umgebung (mit Schmutz und Dreck), um sich dagegen zu wappnen.
Eine fast keimfreie Umgebung (durch Desinfektionsmittel) klingt im ersten Moment wie ein Schutz für das Kind. Sicherlich sorgt ein desinfiziertes Zuhause dafür, dass sich das Kind nicht so schnell durch Krankheitserreger anstecken kann. Die Natur hat dies nicht so vorgesehen. Kinder sollten einige Krankheiten durchlaufen, damit der Körper einen natürlichen Schutz aufbauen kann. Somit müssen sich Eltern oft in Gelassenheit üben und zuschauen, wenn das Kind im Sandkasten eine volle Hand Sand in den Mund steckt. Bakterien dringen mit dem Sand durch den Magen-Darm-Trakt in den Körper ein, das Immunsystem weiß sich aber zu helfen. Auch wenn es mit Krankheitssymptomen wie Durchfall, Übelkeit, Unwohlsein reagiert, legt es sich gleichzeitig die Information zur Bildung von Antikörpern ab und prägt somit die Immunabwehr.
Ähnlich verhält es sich bei Kinderkrankheiten. Natürlich sind diese nicht einfach für Kind und Eltern, da sich das Kind im Kampf gegen die Krankheiten auch quält. Allerdings gehören sie zur Prägung der Immunabwehr dazu und sorgen dafür, dass sich der Körper immer wieder an diese Erreger erinnert und Antikörper bildet, wenn sie wieder in den Organismus eindringen. Schlimmer ist es, wenn das Kind in einer reinen und fast schon sterilen Umgebung aufwächst und im Erwachsenenalter erst mit diesen Erregern konfrontiert wird. Kinderkrankheiten verlaufen nach der Pubertät meist schwerwiegender ab, als im Kindesalter.
Kinderärzte warnen junge Eltern vor einer zu sauberen Umgebung. Durch die extreme Hygiene sind in den letzten Jahrzehnten sehr viele Erkrankungen wie Allergien, Neurodermitis oder Lebensmittelunverträglichkeiten aufgetreten. Auch wenn es vielleicht schwerfällt, sollten Eltern bemüht sein, sich in Gelassenheit im Umgang mit Bakterien und anderen Krankheitserregern zu üben. Wer sicher sein möchte, wie viel Reinlichkeit und Hygiene ein Kind braucht, kann dies beim Kinderarzt oder der Hebamme erfragen.
Letzte Aktualisierung am 21.08.2012.