Das deutsche Gesundheitssystem nimmt Kinder und Jugendliche besonders in den Fokus. Ihre körperliche und geistige Entwicklung wird von Kinderärztinnen und Kinderärzten im Rahmen von regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen eng begleitet, um Unregelmäßigkeiten frühzeitig zu erkennen und Familien die richtige Unterstützung anbieten zu können.
Zur Dokumentation der U1 nach der Geburt bis zur U9 im 5. bis 6. Lebensjahr dient das gelbe Heft, das Eltern mit der ersten Vorsorge vom Kinderarzt ausgehändigt bekommen. Die Jugendgesundheitsuntersuchung J1 zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr wird in der Regel für die Eltern nicht im gelben Heft dokumentiert. Es kann auf Wunsch zusätzlich im grünen Untersuchungsheft erfasst werden.
Da auch zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr in der Entwicklung eines Kindes viel passiert, können Eltern seit dem Jahr 2006 bei ihrem Kinderarzt oder ihrer Kinderärztin zusätzlich das grüne Untersuchungsheft erhalten. Darin können drei zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen dokumentiert werden: Die U10 im 7. bis 8. Lebensjahr, die U11 im 9. bis 10. Lebensjahr und die J2 im 16. bis 17. Lebensjahr.
Die Gesundheitsvorsorge für Kinder und Jugendliche umfasst in Deutschland aktuell elf vom Bundesministerium für Gesundheit empfohlene Vorsorgeuntersuchungen (U1 bis U9 und J1). Um sich über die Abfolge und den jeweiligen Zeitpunkt für die einzelnen Vorsorgen zu informieren, steht für Eltern eine Liste aller U-Untersuchungen in einer tabellarischen Übersicht bei der BKK GILDEMEISTER SEIDENSTICKER zur Verfügung.
Die Teilnahme an den elf Vorsorgeuntersuchungen, die auch die im jeweiligen Kindesalter empfohlenen Impfungen umfassen, sind in den meisten Bundesländern nicht gesetzlich vorgeschrieben. Allein die drei Bundesländer Bayern, Hessen und Baden-Württemberg haben die U-Untersuchungen seit 2009 für Eltern verpflichtend gemacht. Auch in den anderen Bundesländern wird die regelmäßige Vorsorge vom Bundesministerium für Gesundheit dringend empfohlen. Auch Kinderärztinnen und Kinderärzte sind gehalten, positiv auf Familien einzuwirken, von dem medizinischen Angebot für ihre Kinder vom ersten Lebenstag an Gebrauch zu machen.
Die altersgerechte Teilnahme an einer U-Untersuchung wird im gelben Untersuchungsheft vermerkt und von der Kinderärztin oder dem Kinderarzt an das Gesundheitsamt gemeldet. Impfungen werden zusätzlich im gelben Impfpass hinterlegt. Darüber hinaus enthält das gelbe Untersuchungsheft Teilnahmekarten, die von Eltern herausgetrennt werden können, um die lückenlose Vorsorge dritten Parteien wie einer Kindertageseinrichtung oder der Schule gegenüber nachzuweisen, ohne mit der Herausgabe des vollständigen U-Heftes sensible persönliche Daten preisgeben zu müssen.
Die elf vom Gesetzgeber empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen stehen Familien als kostenlose Leistungen zu. Sie sind in § 26 SGB V als garantierte Gesundheitsleistung der gesetzlichen Krankenkassen festgelegt. Die Inhalte der Vorsorgen hat der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien zur Früherkennung bei Kindern und Jugendlichen festgelegt.
Um die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen im Schulalter noch weiter zu begleiten, übernehmen einige gesetzliche Krankenkassen die Kosten für zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen. Sie werden als U10, U11 und J2 geführt.
Da die zusätzlichen Früherkennungsuntersuchungen bisher nicht zum gesetzlich empfohlenen Kanon der 11 U-Untersuchungen gehören, werden sie nicht im gelben Untersuchungsheft dokumentiert. Familien können bei ihrer Kinderärztin oder ihrem Kinderarzt aber nach dem gründen Untersuchungsheft fragen. Darin werden die Ergebnisse, gegebenenfalls bemerkte Auffälligkeiten und Empfehlungen für eine weiterführende Diagnostik oder Therapie erfasst.
Das grüne Untersuchungsheft bietet Platz für:
Die Teilnahme an diesem zusätzlichen Untersuchungsangebot für Kinder und Jugendliche im Schulalter ist ebenfalls freiwillig. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte empfiehlt Eltern, Kindern und Jugendlichen jedoch, die Vorsorge in Anspruch zu nehmen, um Entwicklungsverzögerungen frühzeitig begegnen und auftretende Fragen zu Gesundheit und Entwicklung medizinisch fachgerecht beantworten zu können.
Da nicht alle gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Vorsorgeuntersuchungen im grünen Heft übernehmen, sollten Eltern im Vorfeld mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt Rücksprache halten und gegebenenfalls mit der Krankenkasse klären, ob die freiwillige Zusatzleistung im Vertrag inkludiert ist.
Die U10 wird empfohlen, wenn das Kind 7 oder 8 Jahre alt ist und bereits mitten im Schulalltag steht. Diese besondere Entwicklungsphase und ihre Herausforderungen stehen im Mittelpunkt der Untersuchung.
Überprüft werden grundlegende körperliche Parameter wie Größe und Gewicht, motorische Fähigkeiten, Funktionsfähigkeit der Organe sowie das Seh- und Hörvermögen. Auch die gesunde Entwicklung der Zähne, des Mundes und des Kiefers kann der untersuchende Arzt überprüfen. Für eine detaillierte Diagnostik in diesem Bereich wird im Schulalter allerdings der regelmäßige Besuch beim Zahnarzt und bei Bedarf auch beim Kieferorthopäden empfohlen. Vielfach verschafft sich der Arzt auch einen Überblich über die Entwicklung der Geschlechtsreife seiner kleinen Patienten (Veränderung der Körperform, beginnende Körperbehaarung).
Ein besonderer Fokus liegt aber auf der Erkennung von möglichen Entwicklungsstörungen, die häufig erst mit dem Schulalltag in den Vordergrund treten. Dazu zählen Anzeichen für eine Lese-Rechtschreibschwäche oder eine Rechenstörung (Dyskalkulie). Auch die motorische, kognitive und emotionale Entwicklung wird im Rahmen der U10 betrachtet. Hier kommt häufig der so genannte Mannheimer Elternfragebogen (MEF) zum Einsatz. Über einen Katalog aus 60 bis 70 Fragen in Kombination mit verschiedenen Untersuchungen können beispielsweise Hinweise auf eine Entwicklungsstörung wie ADHS oder Autismus erkannt werden.
Nicht zuletzt überprüft der Arzt oder die Ärztin bei der U10 den aktuellen Impfstatus des Kindes und spricht gegebenenfalls Empfehlungen aus, um bestehende Impflücken zu schließen oder einen zusätzlichen Impfschutz zu gewährleisten.
Die U11 wird im Alter von 9 bis 10 Jahren durchgeführt. Im Hinblick auf die grundlegende körperliche Entwicklung ist sie eng an die U10 angelehnt und prüft die organische Gesundheit, die motorische Entwicklung und den Haltungs- und Bewegungsapparat, die Funktionalität der Sinnesorgane. Das Voranschreiten geschlechterspezifischer Körpermerkmale wird erneut überprüft mit einem zusätzlichen Blick auf eventuelle Fragen hinsichtlich einer geschlechtlichen Identität.
Im kognitiven Bereich wird die Diagnostik zur Früherkennung von Entwicklungsstörungen wie einer Lese-Rechtschreibschwäche oder einer Dyskalkulie fortgesetzt. Auch kognitiv-emotionale Entwicklungsstörungen wie ADHS oder Autismus bleiben im Fokus.
Hinzu kommt bei dieser Vorsorgeuntersuchung ein detaillierter Blick auf mögliche Problematiken in der seelischen Entwicklung. Kinder in diesem Alter und auf der Schwelle zur weiterführenden Schule spüren nicht selten schon seelische und körperliche Auswirkungen von Stress und psychischem Druck. Psychosomatische Störungen wie Kopf- und Bauchschmerzen, Ängste und Schlafstörungen sind häufig auftretende Symptome. Auch ein gesundheitsschädliches Konsumverhalten im Bereich Medien soll erkannt werden. Verhaltensauffälligkeiten im sozialen Bereich treten in diesem Alter und in diesem Stadium der persönlichen Entwicklung möglicherweise stärker in den Vordergrund. Aggressives oder selbstverletzendes Verhalten oder erste Anzeichen einer Suchtentwicklung sollen frühzeitig erkannt und mit entsprechenden Therapieangeboten begleitet werden.
Die U11 kann eine wichtige Bestandsaufnahme der körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung auf dem Weg zur Pubertät sein.
Die J2 gehört zu den Jugendgesundheitsuntersuchungen. Neben einem allgemeinen Blick auf die körperliche Gesundheit, eine gesunde motorische und sensomotorische Entwicklung sowie auf Hör- und Sehvermögen liegt der Fokus vor allem auf Aspekten der emotionalen, sozialen und kognitiven Entwicklung. Fragen rund um die Pubertät sowie die sexuelle und soziale Entwicklung können im Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt erörtert werden. Entwicklungsstörungen oder Entwicklungsverzögerungen in einem der genannten Bereichen treten in diesem Alter mit großer Wahrscheinlichkeit durch ein auffälliges Sozialverhalten in den Vordergrund.
Besonders relevante Themen für Jugendliche dieses Alters sind die eigene Sexualität und sexuelle Kontakte, Verhütung, durch geschlechtliche Kontakte übertragbare Krankheiten wie HIV, körperliche und seelische Gewalt, Mobbing, Suchterkrankungen, Essstörungen, Problematiken im Netz, insbesondere in den sozialen Medien, erste Partnerschaften und Familienkonstellationen, Problematiken mit den Erziehungsberechtigten sowie Gedanken und Ängste zur Berufswahl und den weiteren Lebensweg.
Im Rahmen der J2 kann der Arzt oder die Ärztin auch eine erste Diagnostik im Bereich von Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes, Entwicklungsstörungen oder chronischen Erkrankungen im Haltungs- und Bewegungsapparat vornehmen.
Die J2 ist die letzte Vorsorgeuntersuchung vor dem Erreichen der Volljährigkeit und gibt Jugendlichen noch einmal die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen Fragen zu stellen, gemeinsam mit einem Facharzt oder einer Fachärztin auf körperliche und seelische Besonderheiten zu schauen und gegebenenfalls Empfehlungen zur therapeutischen Begleitung verschiedener Auffälligkeiten zu erhalten.
Letzte Aktualisierung am 11.12.2023.