Bei Risikokindern, wie Frühgeburten, erblich vorbelasteten Kindern oder Säuglingen mit Fehlbildungen ist diese Gefahr im Vergleich zu gesunden Säuglingen nochmals um das zwanzigfache erhöht. Routinemäßig wurden deshalb zunächst nur Risikokinder auf Störungen des Gehörs hin untersucht. Viele Neugeborene rutschten somit durch das Fahndungsraster: Da die Mehrzahl der betroffenen Kindern zwar etwas schlechter hört, jedoch nicht taub ist, sind bisher angeborne Hörfehler in Deutschland durchschnittlich erst im Alter von 31 Monaten entdeckt worden. Bis zur einer optimalen Behandlung des geminderten Hörvermögens, beispielsweise durch eine Hörgeräteversorgung, können dann oft weitere vier bis sechs Monate vergehen.
Wenn ein Baby nicht richtig hört, werden die Hirnzellen, die für das Gehör zuständig sind, nur wenig beansprucht. Dadurch kann deren weitere Entwicklung unter Umständen stark beeinträchtigt werden. Möglicherweise bleibt das Hörvermögen dauerhaft eingeschränkt, was sich, wenn das Kind älter wird, nur noch schwer ausgleichen lässt. Wenn ein Kind schlecht hört, lernt es zudem meist später sprechen als andere Kinder, was wiederum seine Lernfähigkeit, seine persönliche und soziale Entwicklung beeinträchtigen kann.
Um eine angeborene Hörstörung ausreichend zu behandeln, sollte die Therapie deshalb spätestens im sechsten Lebensmonat beginnen. Die Aussichten für das betroffene Kind, ein gutes Sprachvermögen zu entwickeln, sinken anderenfalls mit jedem aufgeschobenen Monat rapide. Viele Kinderärzte und Hals-Nasen-Ohrenärzte forderten aus diesem Grund die Einführung eines einheitlichen und flächendeckenden Neugeborenen-Hörscreenings in ganz Deutschland. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Bundesrepublik in dieser Hinsicht sehr weit im Rückstand. Bisher wurden Neugeborene nur im Rahmen von Forschungsarbeiten kostenlos einem Hörtest unterzogen. Erst seit dem ersten Januar 2009 wurde das „Universelle Neugeborenen-Hörscreening" eingeführt, das als einheitliche Regelung für die Durchführung von Säuglingshörtests in Deutschland dienen soll.
Wie wird ein Säuglingshörtest durchgeführt?
Die Hörfähigkeit eines Neugeborenen kann bereits wenige Tage nach der Geburt untersucht werden. Seit dem 1. Januar 2009 ist das so genannte "Universelle Neugeborenen-Hörscreening" bundesweit Pflicht. Seitdem werden Kinder nun nicht mehr erst im Alter von etwa zweieinhalb Jahren, sondern bereits kurz nach der Geburt auf mögliche Hörschäden untersucht. Über lange Sicht erwarten Experten dadurch eine Verbesserung des Spracherwerbs und der Bildungschancen.
Das Neugeborenen-Hörscreening besteht aus drei Stufen:
- einer Routineuntersuchung (Stufe 1)
- bei negativem Ergebnis der erfolgten Routineuntersuchung wird diese zur Sicherheit wiederholt (Stufe 2)
- im Zweifelsfall wird die Routineuntersuchung mittels weiterer Untersuchungen überprüft und ergänzt (Stufe 3)
Zuerst werden routinemäßig die so genannten otoakustischen Emissionen (OEA) an beiden Ohren getestet. Das sind natürliche Reaktionen des Innenohrs auf Schallreize von außen. Die Messung der otoakustischen Emissionen funktioniert somit nach dem Prinzip eines Echos. Dazu wird eine kleine Sonde in den äußeren Gehörgang eingebracht, die einen wiederholten Klick-Ton abgibt. Ein an der Sonde befestigtes Mikrophon nimmt die Geräusche auf, die aus dem Innenohr zurückschallen. So kann die Funktionsfähigkeit der Sinneszellen im Ohr überprüft werden. Die Untersuchung ist ungefährlich und komplikationslos. Sie kann an wachen oder schlafenden Neugeborenen durchgeführt werden.
Oft ist der erste Hörtest noch nicht aussagekräftig, da Reste von Fruchtwasser Gehörgang die Schallleitung beeinträchtigen können. Zudem können auch Störgeräusche von außen oder unruhige Bewegungen der Neugeborenen das Resultat der Untersuchung verfälschen. Der Test wird deshalb einige Tage später wiederholt (Stufe 2).
Sollte sich auch in der Kontrolluntersuchung eine Beeinträchtigung des Hörvermögens zeigen, wird noch auf der Neugeborenenstation oder am Kinderbett eine automatisierte Form der Hirnstammaudiometrie (auditory brainstem response - ABR oder auch Brainstem electric response BERA) durchgeführt. Mit dieser Methode prüft man die Prozesse innerhalb der Nervenbahnen, die bei der Verarbeitung von Geräuschen im Hirnstamm ablaufen. Sollte nach der Durchführung der Hirnstammaudiometrie eine Hörstörung immer noch nicht komplett ausgeschlossen sein, muss der betroffene Säugling in speziellen Einrichtungen weiter untersucht werden. Dies sind beispielsweise Kliniken für Phoniatrie und Pädaudiologie sowie Kinder- oder HNO-Kliniken mit Spezialisten für kindliche Hörstörungen.
Hier wird das Hörvermögen des Kindes genau untersucht. Eingesetzt werden dabei verschiedene Hörtests (wie die Freifeldaudiometrie oder die Verhaltensaudiometrie), die speziell für Kleinkinder entwickelt wurden. Zudem werden noch genaueren Messung der otoakustischen Emsionen (DPOAE), eine Tympanometrie und eine Hirnstammaudiometrie (BERA) vorgenommen. Alle Untersuchungen sind relativ einfach durchzuführen und gesundheitlich für das Kind unbedenklich.
Aus den Untersuchungsergebnissen lässt sich dann in der Regel eine klare Aussage über den Grad der Hörbeeinträchtigung treffen. HNO- und Kinderärzte besprechen dann mit den Eltern, welche hörverbessernden Maßnahmen möglich sind und wann eine Hör- und Spracherziehung beginnen sollte. Bis zum dritten Lebensmonat sollte möglichst eine eindeutige Diagnose gestellt worden sein, damit man möglichst innerhalb der ersten sechs Lebensmonate eine individuelle Therapie beginnen kann.